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IN ÖSTERREICH HERRSCHT KEINE NORMALITÄT

PRESSEMITTEILUNG/Kulturpolitische Kommission - Ständige gemeinsame Vertretung
österreichischer Berufs- und Interessenvertretungen der Kunst und Kultur

Eine gemeinsame Erklärung der Kulturpolitischen Kommission zur Situation
von Kunst, Kultur und Politik in Österreich.




Gabriele Gerbasits/Gerhard Ruiss
media observer


Seit Februar 2000 ist in Österreich eine Koalitionsregierung der rechten
FPÖ und der christ-demokratischen ÖVP an der Macht. Seither werden gegen
die Beteiligung der FPÖ an der Regierung jeden Donnerstag
Demonstrationen und jeden Samstag vor dem Bundeskanzleramt Informations-
und Tanzveranstaltungen abgehalten.

Die von der Regierung gesetzten Maßnahmen haben janusköpfigen Charakter.
Gegenüber dem Ausland und der weniger differenzierenden österreichischen
Öffentlichkeit präsentiert man sich als schneller Reformator in von der
bisherigen Koalitionsregierung der ÖVP mit der sozialdemokratischen SPÖ
vernachlässigten Bereichen. Mit einer Pensionsreform, Entschädigungen an
ZwangsarbeiterInnen in der NS-Zeit und der Budgetkonsolidierung werden
die kleinen feinen und langfristigen Verwüstungen in medial weniger
beachteten Räumen zugedeckt.

Der innovative und zeitgenössische Kunst- und Kulturbereich in
Österreich konnte seit den 70ern mit Hilfe staatlicher Subventionen und
Investitionen eine beachtliche Struktur entwickeln. Über 400
Kulturinitiativen sorgen in den Städten und den nichturbanen Gebieten
für die Vermittlung zeitgenössischen Kunstschaffens, für soziokulturelle
Jugendarbeit und für kritische Auseinandersetzungen mit politischen
Themen wie Nationalismus, Rassismus usw. Dieser kulturelle
Non-Profit-Bereich stellt neben seiner wichtigen
gesellschaftspolitischen Funktion eines der wenigen Segmente mit
wachsenden Beschäftigungszahlen dar. Gerade die Auseinandersetzung mit
demokratie- und gesellschaftspolitischen Fragen hat diesen Bereich
frühzeitig vor der FPÖ und ihrer (Kultur-)Politik gewarnt. Schon 1980
schrieb der jetzige Kulturberater des Kärntner Landeshauptmanns Jörg
Haider: "Wissenschaftler und Künstler, die in ihrer Tätigkeit das
deutsche Volk repräsentieren, müssten verstärkt gefördert werden. Im
gesamten kulturellen und künstlerischen Bereich müssten eigenständige
deutsche Bemühungen unterstützt werden, wobei nach und nach das Fremde,
Aufgepfropfte, zwar nicht als schlecht, aber doch als nichtdeutsch
erkennbar gemacht werden müsste." Vor diesem Hintergrund ist auch die
Entscheidung von Jörg Haider zu verstehen, die Finanzierung des
international renommierten Ingeborg-Bachmann-Preises zu verweigern und
stattdessen einen Förderpreis für Kärntner Schriftsteller zu schaffen.

Die Interventionen der amtierenden Regierung zielen auf die Aushöhlung
der Kulturförderung für kritische Organisationen und Vereine und
Zerschlagung von Strukturen. Die Strategie ist vielfältig: Kündigung von
Mietverträgen in bundes-, landes- oder gemeindeeigenen Immobilien,
Subventionsstreichungen, Erhöhung des Posttarifes für den Versand von
Zeitungen, Spendenbriefen und Programmfoldern. Die Regierung behält sich
vor, die Tarife einzelner Organisationen zu stützen, und will so, nach
Aussage des ÖVP-Klubobmanns Andreas Khol, "die Böcke von den Schafen
trennen".

Politische Neutralität gegenüber der amtierenden Regierung wird zum
neuen Förderkriterium gemacht, staatliche Förderungen als politisch
gewidmete Bestechungsgelder von jenen Partei-en, die sich gerade der
Regierung bemächtigt haben. Wo der Unterschied zwischen dem Staat oder
Gemeinwesen auf der einen Seite und der jeweiligen Regierung auf der
anderen nicht mehr gemacht wird, dort endet Demokratie.

Wenn man das, was FPÖ und ÖVP in der Kulturförderung derzeit betreiben,
weiterzudenken wagt, wenn also die Regierung nur noch das fördert, was
ihr wohlwollend gegenübersteht, warum dann überhaupt noch
Parteienförderung für Oppositionsparteien? Dieser Logik zufolge befinden
sich der Grüne Bundesparteivorsitzende Van der Bellen und der
SPÖ-Bundesparteiobmann Gusenbauer schon am Rande der organisierten
Kriminalität. Dazu gibt es den Vorschlag von Jörg Haider, die kritischen
Stimmen in Österreich mit unnachgiebiger Härte strafrechtlich zu
verfolgen. 55 Jahre nach der Niederschlagung des NS-Regimes und der
Wiedererrichtung einer demokratischen Republik Österreich soll ganz
offensichtlich das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung eine massive
Einschränkung erfahren. Einschüchterung, Bedrohung und Kriminalisierung
von Andersdenkenden bilden seit jeher ganz wesentliche Elemente
totalitärer und menschenverachtender Regierungen. Die österreichische
Bundesregierung hat sich selbst mit der Präambel zum Regierungsprogramm
auf die Einhaltung der demokratischen Grundrechte verpflichtet, die auch
der Europäischen Union zugrunde liegen. Regierungschef und Bundeskanzler
Schüssel hat es allerdings bis heute nicht für notwendig erachtet, Jörg
Haider für diesen politischen Vorstoß in seine Schranken zu weisen und
die Fundamente der internationalen Wertegemeinschaft vor dieser Gefahr
zu schützen.

Besonders deutlich zeigen sich die aktuellen politischen Entwicklungen
in Österreich in der Situation der Medien. 1998 wurde das
öffentlich-rechtliche Rundfunkmonopol in Österreich gebrochen: Erstmals
gingen "Freie Radios" auf Sendung. Es bedurfte einer jahrelangen und
konfliktreichen Auseinandersetzung mit der Politik, die Grundlagen für
freie, kulturell motivierte und nicht-kommerzielle Medienprojekte zu
schaffen. Diese Institutionen wurden, sofern sie öffentlichen
Förderungen unterlagen, unmittelbar nach Regierungsantritt mit Kürzungen
und Streichungen konfrontiert, die erste Maßnahme zur Disziplinierung
regierungskritischer Berichterstattung. Kurz darauf wurden im
öffentlich-rechtlichen Fernsehen und Radio kritische JournalistInnen und
RedakteurInnen ihrer Tätigkeit enthoben oder in weniger "gefährliche"
Ressorts versetzt.

Die österreichischen Printmedien zeigen zunehmend Konformität. Zudem
verfügt die Haider-freundliche und EU-kritische österreichische
Tageszeitung "Neue Kronen Zeitung" mit einer Reichweite von 42,5% über
die Deutungsmacht der "österreichischen Realität". Die von der EU
verhängten Sanktionen werden dadurch als reines Medienspektakel
wahrgenommen mit einerseits der Verweigerung von Fotos mit
österreichischen PolitikerInnen, andererseits der problemlos vonstatten
gegangene Wahl des Innsbrucker Bürgermeisters Herwig van Staa zum
Präsidenten der Europaratskammer der Gemeinden und Regionen Europas.
Dieser übernahm übrigens einige Tage zuvor als einziger Politiker den
Ehrenschutz für eine Festveranstaltung rechtsextremer
Akademikerverbindungen.

Wenn der österreichische Bundeskanzler und die Außenministerin einer
Überprüfung der Regierungsarbeit durch eine EU-Delegation gelassen
entgegensehen, dann wohl weil diese kaum in die Niederungen der hier
beschriebenen Bereiche Einblick nehmen können wird. Von den
traditionellen Medien unbeachtet und von der Regierung ihrer Strukturen
beraubt, wird sich ein Österreich der "Normalität" ohne die hier
beschriebene Entwicklung präsentieren und damit dem Rechtspopulismus und
der Demokratiefeindlichkeit europaweit breitester Raum gegeben.

Wir erwarten uns daher einen über einzelne formelle Distanzierungsakte
von der Österreichischen Bundesregierung hinausgehenden qualifizierten
Beitrag aus den Ländern der Europäischen Union, der zur Beobachtung und
Gegensteuerung aller – ebenso in Österreich wie in anderen EU-Ländern –
auftretenden antidemokratischen Entwicklungen geeignet ist. Diese
Verbesserung der Aufmerksamkeit gegenüber antidemokratischen
Entwicklungen muß zuallererst Österreich gelten, da sich die
österreichische Regierungsbeteiligung der FPÖ als Modellfall für
zahlreiche weitere EU-Staaten erweisen könnte, wo es nicht nur um die
innerstaatliche Infragestellung von demokratischen Grundsätzen geht,
sondern, wodurch schließlich auch der europäische Integrationsprozeß zu
Fall gebracht werden würde.

Gabriele Gerbasits und Gerhard Ruiss
für die Kulturpolitische Kommission - Ständige gemeinsame Vertretung
österreichischer Berufs- und Interessenvertretungen der Kunst und Kultur



English:
A Normal State Does NOT Rule in Austria
http://www.konsortium.at/erklaerung.asp?topic=inde...

Francais:
En Autriche, rien n'est "normal"
http://www.konsortium.at/erklaerung.asp?topic=inde...

updated: 14.06.2000 by werner
 
 
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