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Unselige Zeiten

Robert Menasses kleine Steuerfluchten

Paul Jandl
"Neue Zürcher Zeitung"-online, 02.03.2001


Das Wort von der «Kreativwirtschaft» hat der österreichische Kunst-Staatssekretär Franz Morak auf das Banner seiner Kunstpolitik geheftet. Jetzt kann er sehen, was er davon hat. Die Künstler denken dieser Tage wirtschaftlich und üben sich in begriffsprägender Kreativität. Der Schriftsteller Robert Menasse gründet im Ausland eine «Free Austria Kunst GmbH», Anlass genug, auch gleich den eigenen Unternehmensgegenstand zu präzisieren. Als wütender Polemiker läuft der Dichter dieser Tage Sturm: gegen ein neues Gesetz zur Künstlersozialversicherung, gegen einen Staatssekretär, eine Regierung - und überhaupt.

Die weitreichenden Verwünschungen Robert Menasses, dessen wendige Essayistik den politischen Veränderungen in Österreich auch schon einmal positiver gegenübergestanden ist, werden von einem pathetischen Getöse begleitet, dessen peinliche Untertöne unüberhörbar sind. Allen Ernstes bezeichnet Menasse die Regelungen zur Sozialversicherung «als grössten je stattgefunden habenden Feldversuch, Künstler zu verhöhnen, zu demütigen, zum Schweigen zu zwingen oder ausser Landes zu treiben». Als
Widerstandskämpfer seines selbst ausgerufenen «Free Austria» kündigt Menasse an, die Regierung werde «in Zukunft damit leben müssen, Kunst, Geist und Kultur aus der Kulturnation Österreich vertrieben zu haben». Dem jetzt propagierten «Exodus» wollen sich, so heisst es, mittlerweile über hundert der «bedeutendsten» österreichischen Künstler anschliessen.

Namen nennt Robert Menasse bisher keine (ausser Michael Köhlmeier), die Sympathisanten unter den Künstlern würden «revanchistische Repressionen» fürchten. Peter Turrini hat schon einmal abgewinkt. Er fände es fair, auch künftig in jenem Land zu versteuern, das er immerhin am liebsten kritisiere. Eine scharfe Absage kommt auch vom Schriftstellerkollegen Michael Scharang. Scharang ist aus der IG Autoren, die Menasses Projekt befürwortet, ausgetreten. «Menasse, vormals ein literarisches Ereignis, ist zueinem Fall für die Steuer geworden», sagt Scharang. Und: «Mittlerweile wirkt er erschöpft undreif für eine Frührente aus jener Künstlersozialversicherung, die er neben der Steuer als seinen zweiten Feind entdeckte.»

Aus allen Rohren, von der «FAZ» bis zum österreichischen Boulevard, feuert Robert Menasse sein publizistisches Sperrfeuer. Wo die Schärfe der Polemik ihr Ziel möglichst flächendeckend treffen soll, dort hält man sich mit Details am besten erst gar nicht auf. Und so gebiert Robert Menasses möglicherweise verdriessliche Lage die Phantasien fiskalischer Ungeheuer. Von satten 72 Prozent des Einkommens, die Künstler an den Staat angeblich abzuführen haben, ist da die Rede und davon, dass das neue Gesetz so trickreich verfasst sei, dass kein einziger Künstler in den Genuss von Unterstützungen käme. Tatsächlich sieht die legistische Neuerung, die seit Januar 2001 in Kraft ist und die sich schlicht
«Künstlersozialversicherungsfondsgesetz» nennt, einen jährlichen Zuschuss von etwa 1400 Franken vor, eine Unterstützung, die nur den Kleinverdienern unter den österreichischen Künstlern zugute kommt. Andere wiederum zahlen durch gesetzliche Änderungen gehörig drauf. Während österreichischen Sportlern zur lokalpatriotischen Erhöhung noch ein abgesenkter Steuersatz gegönnt wird und selbst die Erfinder nur die
Hälfte des Üblichen entrichten, werden die Künstler jetzt als freie Unternehmer geführt - mit allen steuerlichen Nachteilen. Die Sozialversicherung für Künstler neu geregelt zu haben, war bisher der ganze Stolz eines Kunst-Staatssekretariats, das sonst kaum positive Bilanzen aufzuweisen hat. Jetzt erweisen sich auch diese Neuerungen, die Menasse nur «Tausend-Schilling-Show» nennt, als so wenig durchdacht, dass sie den anhaltenden Polemiken kaum standhalten werden.

Franz Morak, Ex-Burgtheater-Schauspieler und von der konservativen ÖVP entsandter Staatssekretär, kämpft weiterhin auf verlorenem Posten um die Versöhnung von Marktwirtschaft und Kunst. Dass sich Morak trotz seiner ursprünglich flammenden Absage an eine Koalition mit Haiders FPÖ doch für ein Regierungsamt gewinnen liess, hat man in Intellektuellenkreisen stets als Verrat empfunden. Durch Moraks Zögerlichkeit, die in der rhetorischen Brillanz seiner künstlerischen Klientel einen übermächtigen Gegner hat, sind Verständigungsprobleme entstanden, die auch durch den Umstand, dass der Staatssekretär Künstler bisweilen wie Bittsteller behandelt, kaum gemildert werden.

Die Protagonisten von «Free Austria», zu denen neben Robert Menasse auch noch der Regisseur Niki List und Matthias Rüegg, der Chef des Vienna Art Orchestra, gehören, haben mittlerweile einen EU-Wirtschaftsanwalt angeheuert. Er soll Möglichkeiten prüfen, die in anderen kreativen Sparten, etwa bei international tätigen Architekten, längst genützt werden. Die «Kunst GmbH» wird sich in den nächsten Wochen auf die Suche nach einem geeigneten Exil begeben. Holland, Frankreich oder Liechtenstein, wo der Spitzensteuersatz gerade einmal 18 Prozent beträgt, kämen dafür in Frage. Am Sitz des Unternehmens müsste einer der Firmenteilhaber sich um die Administration kümmern. Das träfe sich gut. Auf Einladung des liechtensteinischen PEN ist Robert Menasse ab Herbst Landesschreiber des Fürstentums.


updated: 02.03.2001 by werner
 
 
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