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Die Angst geht um vorm eigenen Erbe

Wie die SP-Wien kulturell abrüstet

Ronald Pohl
"Der Standard"-online, 28.02.2001


Die Wiener Kommunalpolitik ist seit Anbeginn der Neuzeit der Schauplatz dessen, was die heimische Sozialdemokratie ins Werk zu setzen versteht. "Ins Werk setzen": Es ist das erhaben klappernde Wort, mit dem schon der Sozialrevolutionär Georg Büchner seinen Zeitgenossen die utopischen Flausen austrieb.

Demgegenüber durfte der Wasserkopf Wien in den letzten hundert Jahren für sich beanspruchen, ein nicht übel formbares Gefäß des Weltgeistes zu sein. Die Vervollkommnung menschlicher Vernunft, dieses köstlichste Projekt der Aufklärung, stand als Zielauskunft über jenen Segnungen, mit denen die roten Stadtoberen die urbanen Massen versorgten.

Denn natürlich musste man diese aus ihrer betrüblichen Unmündigkeit herausführen. Dem eigenen Wasserklosett in der kostengünstigen Gemeindewohnung kam seit je ein Bedeutungsüberschuss zu: Neben der privaten Bequemlichkeit durfte man obendrein auf jenen fernen Zeitpunkt verweisen, an dem die Entfremdung, durch welche das Proletariat ins Unglück gestürzt wird, aufgehoben wäre.

Unter dem Horizont einer diffusen Wohlmeinung ließen sich mit einigem guten Willen sogar die weniger einleuchtenden Planvorhaben der Stadtoberen rechtfertigen. Die Jahrzehnte der absoluten Machtausübung
verformten zwar den symbolischen Körper der Partei. Aber noch in Ursula Pasterks ungeschicktem Wort von der Wiener Kulturverwaltung als "Ideologieressort" schien jener kostbare, zukunftsweisende Kern
aufgehoben, um dessentwillen man die Arroganz der Macht zu ertragen bereit war.

Nun hat es die bekannte Entwicklung der Bundespolitik mit sich gebracht, dass sich die Sozialdemokratie zwar auf Wien als ihr eigentliches Kernland zurückgeworfen sieht. Michael Häupls Partei durfte sich jedoch
füglich als jene Instanz ausweisen, die mindestens auf der Ebene der Bedeutungsproduktion den sozialen Härten des heimischen Neo-Thatcherismus erhobenen Hauptes entgegentritt.

Wer jetzt glaubt, hierbei handele es sich um keine "kulturelle" Frage, der verkennt die Signale, welche von der SP-Zentrale dieser Tage, übrigens ohne jede Not, ausgesandt werden.

Das Kulturamt möchte man zwar gerne wiederhaben; aber im Grunde ist Häupl von Herzen glücklich über Stadtrat Peter Marboes bestrickend joviale Art - was man ihm gar nicht verdenken möchte. Die Wiener
Rathaus-Roten besitzen in Ernst Woller einen höchst rührigen und kenntnisreichen Kultursprecher; trotzdem verfallen alle in peinliche Grübelei, sobald man sie nach personellen Alternativen zu Marboe im angeregten Gespräch befragt.

Macht des Realen

Die grüne Koalitionsalternative behält man im Hinterkopf; aber man möchte Christoph Chorherr am liebsten mit dem Portefeuille für die Entsorgung von Einwegflaschen bedacht wissen. Tempus fugit: Wo noch vor
Wochen die Aussicht auf einen triumphalen Wahlerfolg die Sozis umtrieb, regiert heute eine verzagte Angstwut.

Bekannte Aussichten, gemischte Gefühle. Und weil ja die Moderne in Österreich stets mit einer bedeutungsvollen Verzögerung, dafür aber ihres Sinns gründlich entleert stattzufinden pflegt, darf man sich
dieser Tage also an die 80er-Jahre erinnert fühlen.

Man glaubt sogar, wieder den Sound der achselzuckenden Fatalität im Ohr zu haben, mit dem der Modesoziologe Jean Baudrillard die "realen Verhältnisse", sie übel taxierend, überzog: Kein utopischer Rest wohne den Dingen, den "Objekten" mehr inne. An den Platz des politischen Begehrens ist die Verschaltung der gegenständlichen Welt mit ihren Abbildern und Images getreten. Von dieser schleichenden Auszehrung des "Körpers" des Politischen erzählt auch die SPÖ - unfreiwillig - in diesen Tagen. Doch noch die verschlafenste Vernunft kann unsanft aus ihren Träumen gerissen werden.

(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28. 2. 2001)

updated: 01.03.2001 by werner
 
 
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