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Die Anpassung der Wahrheit

Menasse hat Steuerprobleme und fordert daher den Rücktritt von Kulturstaatssekretär Morak

Edwin Baumgartner
"Wiener Zeitung"-online, 22.02.2001


Das Herz des Schriftstellers Robert Menasse schlägt links, weshalb er die ÖVP/FPÖ-Regierung halt so gar nicht mag. Deshalb kam Menasse jetzt auf einen Akt besonderer Grausamkeit: Er wird sich als Künstlerfänger von Wien betätigen der gewendeten Republik die Künstler nehmen. Wie er in der Illustrierten "NEWS" mitteilt, gründet Menasse eine Steuersitzfirma namens "Free Austria Kunst g.m.b.H.", die 45 unter 50 Jahre alte Künstler aller Sparten als Angestellte aufnehmen soll. Die Firma wird ihren Sitz im europäischen Ausland haben. Laut Doppelbesteuerungsabkommen können diese Künstler in Österreich nicht
mehr besteuert werden. Menasse: "Die wichtigsten österreichischen Künstler unter 50 werden nicht mehr als österreichische Künstler firmieren. Es wird in kurzer Zeit keine junge österreichische Kunst mehr geben." Als Grund wird das "von der Regierung geschaffene" Gesetz zur Künstlersozialversicherung genannt, das nur für Betroffene unter 50 Jahren gilt.

Seine eigene Person dient Menasse als Beispiel: Über Jahre hinweg habe eine freiwillige Pflichtversicherung von 5.000 Schilling einbezahlt. Nun würde er plötzlich zur Entrichtung von 25 Prozent seines Einkommens -
15.000 Schilling monatlich an die Pensionsversicherungsanstalt der Gewerblichen Wirtschaft - gesetzlich gezwungen, jedoch eine schlechtere Gegenleistung erhalten als die von der Privatversicherung gebotene.
Zusammen mit fast 50 Prozent Steuerleistung sei das ruinös. Der Autor wirft Kunststaatssekretär Franz Morak vor, er habe den von den Künstlern mit dem Mandat versehenen Autorenvertreter Gerhard Ruiss nicht
zu den Verhandlungen über den Gesetzesentwurf zugelassen. Abzuwenden wäre die Gründung der Steuersitzfirma nur durch einen Rücktritt Moraks und "ein Angebot auf faire steuerliche Bedingungen nach dem österreichischen Gleichheitsgrundsatz" durch Bundeskanzler Schüssel.

Menasses Irrtümer

Menasses Anti-Regierungs-Erregung wird von Franz-Leo Popp (Literarmechana) relativiert: Menasse übersehe, dass es kein "von der Regierung geschaffenes Gesetz" gebe, stellt Popp für den
Künstler-Sozialversicherungsfonds (ksvf) fest. Das betreffende Gesetz (ASRÄG 1997) sei vor dreieinhalb Jahren (da waren noch Menasses Wunsch-Partei am Ruder, Anm.) vom Parlament beschlossen worden und sieht vor, dass alle "neuen Selbstständigen", darunter auch die Künstler, einer Sozialversicherung unterliegen. "Von der gegenwärtigen Regierung wurde lediglich ein Gesetz vorbereitet, das Zuschüsse an Künstler zu ihren Pensionsversicherungsbeiträgen vorsieht", präzisiert die ksvf. Außerdem hat Gerhard Ruiss an den vorbereitenden Verhandlungen aktiv teilgenommen, betont der ksvf.

Unkenntnis der Materie

"Mit den Äußerungen von Robert Menasse zeigt sich wieder einmal die Unkenntnis in der Materie", erklärte die Vorsitzende des parlamentarischen Kulturausschusses und FPÖ-Kultursprecherin Abgeordnete Brigitte Povysil. "Es muss gesagt werden, dass Menasse anscheinend lediglich die Großverdiener unter den österreichischen Künstlern vertritt. Denn nach seinen Angaben, 20 Mill. Schilling an Steuerleistung
für 45 Künstler, verdient jeder dieser 45 Künstler rund 1,25 Millionen pro Jahr, und das ist zirka das Fünffache des österreichischen Durchschnittseinkommens", so Povysil.

"Weiters zeigt sich Robert Menasse besonders uninformiert, was das Künstlersozialversicherungsfondsgesetz betrifft. Die neugeschaffene Regelung stellt kein eigenes Sozialversicherungssystem dar, sondern ein Bezuschussungssystem für einkommensschwache Künstler zu ihrer Versicherung nach dem GSVG, also nicht für Herrn Menasse, der mit seinem Einkommen wahrscheinlich weit über der Höchstbemessungsgrundlage von 270.000 Schilling jährlich liegt", ergänzte Povysil. "Ziel dieses Zuschusssystems ist es, jungen, noch nicht arrivierten Künstlern ihre soziale Absicherung finanziell zu vereinfachen. Es ist nicht Ziel dieses Gesetzes, den arrivierten Großverdienern unter den Künstlern, wie Robert Menasse einer zu sein scheint, zusätzliche Vergünstigungen zu kommen zu
lassen", schloss Povysil. Kann Brigitte Povysil Menasse sachlich widerlegen, so sind bei Menasses
Künstler-Kollegen auch Emotionen spürbar. "Offizielles Ende der Solidarität?" betitelt die Musiker-Komponisten-Autorengilde (die Interessenvertretung freiberuflich Musikschaffender) ihre Aussendung in Reaktion auf Menasses Firmengründung:

Unausgegorene "Schnapsidee"

"Wenn Robert Menasse meint, ,Morak hat es verabsäumt, mit Interessenvertretern zu reden, die tatsächlich ein Mandat vonseiten der Künstler hatten, dann irrt er", stellt Peter Paul Skrepek für die Musikergilde fest. Die "Kulturpolitische Kommission" (zu der sich die Künstlerverbände zusammengeschlossen hatten, Anm.) habe gemeinsam mit der Gewerkschaft auch mit Morak verhandelt. "Das Ergebnis, der Zuschusstausender, wurde von allen Beteiligten als der berühmte ,Erste Schritt' bezeichnet."
Die Idee einer im Ausland ansässigen "Free Austria Kunst g.m.b.H." klinge bestechend, meint Skrepek. "Wenn Menasse derzeit von rund 40 der wichtigsten heimischen Kreativen unter 50 spricht, die dort beschäftigt und wahrscheinlich auch sozialversichert sein sollen, drängt sich allerdings eine Frage auf: Was geschieht mit den zehn- bis zwanzigtausend anderen, den ,unwichtigen' Kreativen? Bitte um Antwort. Oder haben wir es hier am Ende doch nur mit einer unausgegorenen Schnapsidee zu tun?", heißt es abschließend.

Menasses Schriftsteller-Kollege Michael Scharang, ein Autor, dem wohl niemand eine rechtslastige Gesinnung vorwerfen wird, formuliert noch schärfer:
"Robert Menasse, vormals ein literarisches Ereignis, ist zu einem Fall für die Steuer geworden", so Scharang in einer Aussendung. "Das wird nicht so bleiben. Das intellektuelle Vermögen und das literarische Talent des Autors sind zu groß, als dass sie sich nicht früher oder später gegen ihren Eigentümer durchsetzen werden, auch wenn es im Augenblick nicht danach aussieht. Denn seit Jahren ringt Menasse nicht mit geistigen, sondern mit Steuerproblemen."
"Mittlerweile wirkt er erschöpft und reif für eine Frührente aus jener Künstlersozialversicherung, die er neben der Steuer als seinen zweiten Feind entdeckte."

"Für Gerhard Ruiss (Geschäftsführer der Interessengemeinschaft österreichischer Autorinnen und Autoren, Anm.), die Mensch gewordene Aussendungsmaschine, ist das selbstverständlich Grund für eine Aussendung. Um Menasse zu helfen, ruft er nach steuerlicher Gleichbehandlung von Sportlern und Künstlern. Es scheint neuerdings fortschrittlich zu sein, Privilegien zu beanspruchen, statt sie zu
bekämpfen. Einfacher wäre es, Ruiss ließe sich als Aussendungs- und Menasse sich als Steuersportler registrieren", schreibt Scharang. "Da Ruiss auch den Dachverband ,Interessengemeinschaft österreichischer
Autorinnen und Autoren' repräsentiert und es möglich ist, dass ich dort Mitglied bin, trete ich aus diesem Verein aus. Ich möchte nicht, dass Ruiss seinen Unfug auch in meinem Namen treibt", heißt es abschließend.

Eine faschistoide Idee?

Tatsächlich ist der Einwand seitens der Musiker-Komponisten-Autorengilde besonders bedenkenswert: Wenn sich Menasse ein Urteil darüber anmaßt, welche Künstler die "wichtigen Kreativen" sind, so ist das eine Haltung, die Menasse, käme ein ähnliches Ansinnen einer Klassifizierung der Wichtigkeit von Künstlern seitens etwa der FPÖ, zweifellos als "faschistoid" brandmarken würde. Doch sind es weder FPÖ noch ÖVP, die ein Ausleseverfahren nach Wichtigkeit von Künstlern - und damit Menschen - im Sinne haben. Robert Menasse ist's.

Unsereinen wundert in dieser Angelegenheit freilich gar nichts mehr. Denn wenn ein Autor eine Gesellschaft quasi sprach-übergreifend "Free Austria Kunst g.m.b.H." nennen will (und nicht etwa "Free Austria Art"),
dann kann dahinter eigentlich nicht einmal mehr eine "Schnapsidee" (Zit. Peter Paul Skrepek) stecken. Das ist nur eines: Ein Menassescher Murks.

Erschienen am: 22.02.2001


updated: 24.02.2001 by werner
 
 
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